Reiche Müßiggänger
Dass ein Reicher arbeitet, war und ist nicht immer selbstverständlich. In der Antike galt die Arbeit als eines freien Mannes unwürdig. Dafür hatte man die Sklaven und die Handwerker, die in Griechenland Banausen hießen. Von der Antike bis in die Neuzeit war die Attitüde der herrschenden und privilegierten Klassen, sich der Muße hinzugeben, ein geradezu unverzichtbares Statussymbol. Wer auf sich hielt, befleckte seine Hände nicht mit banalem Alltagsdreck. Man war eben reich genug, um ein müßiges Leben führen zu können In den Augen der Moralprediger des 18. und 19. Jahrhunderts verträgt sich eine solche Lebensweise überhaupt nicht mit den Normen einer christlichen Lebensführung. Dement- sprechend galt der müßiggängerische Reiche schlicht als ein Parasit, weil er andere für sich arbeiten ließ. Er machte sich mithin nicht nur gegenüber Gott schuldig, sondern auch gegenüber der gesamten menschlichen Gesellschaft.
Müßiggang und Trägheit, seien schlicht asoziale Verhaltensweisen und gegenüber den Mitmenschen unchristlich, so die Kritik der Prediger. Der Wohlstand einer Gesellschaft lasse sich nur sichern, wenn jeder hierfür seinen Beitrag leiste. Wer keinem Beruf nachgeht und nicht arbeitet, sei demnach ein Auswuchs am Körper der menschlichen Gesellschaft. Er sei ein Parasit, der auf Kosten anderer Menschen lebt. Der reiche Müßig- gänger leistet, so der Vorwurf der Seelsorger, keinen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlstand, weil er sich schlicht weigert, zu arbeiten. Ein Vorwurf, der schon fast nach Sozialismus klingt. Schließlich habe der Mensch Hände zum Arbeiten, aber wenn er sie zu nichts weiterem als zum Essen und Trinken gebraucht, so müssten andere für ihn schuften. Und dies führe dazu, dass die Untertanen sich abquälen müssten, weil die parasitären Reichen oftmals an einem einzigen Tag mehr verbrauchten als hundert Arme in einem ganzen Monat.
Hier weht ein neuer Wind: Adel und Klerus waren ja bekanntlich im Mittelalter eine Phalanx, wenn es um die Unterdrückung der Bauern und des gemeinen Volkes ging. Als das Bürgertum im 18. Jahrhundert die welthistorische Bühne betrat und schließlich den Ton angab, veränderte sich die Perspektive. Insbesondere in der protestantischen Aufklärungs- theologie aber auch von der katholischen Kirche wird nun die Arbeit in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Wertesystems gestellt. Und hierbei kam die müßige Oberschicht schlecht weg. Die reichen und adligen Müßiggänger werden nun von den Pfarrern und Pastoren als abgestorbene Glieder der Gesellschaft abgekanzelt, „die man abschneiden muss.“ Sie seien es nicht wert, als Menschen bezeichnet zu werden. Arbeit, so die Kritik, müsse von jedem geleistet werden. Sie sei eine grundlegende Pflicht und Aufgabe für alle Menschen. Auch für die reichen Müßiggänger. Von denen wurde die Aufforderung zur Arbeit allerdings als Affront gegen ihr gesamtes Leben zurückgewiesen. Für die Arbeit seien sie doch viel zu schwach und die geringste Anstrengung würde sie auf der Stelle töten, riefen die vornehmen Damen. Jene Damen, die sich gerne in die Kleider- kammern ihrer Eitelkeiten zurückzögen und sich darin gefielen, über die „Achhaftigkeit“ der Welt zu seufzen. Und die adligen Herren wendeten ein, dass sie sich, wenn sie arbeiten müssten, sofort und unmittelbar die schwersten Krankheiten zuziehen würden. Das hinderte die reichen Müßiggänger aber überhaupt nicht, anstrengende Fuchsjagden zu veranstalten. Und auch den Festen, Vergnügungen und sonstigen Ausschweifungen waren sie ja durchaus gewachsen.
Doch dieses asoziale Verhalten, so die Drohung der Kirchenmänner, bleibe nicht ungesühnt und nach dem Tode folge die gerechte Strafe: All seine Vergehen und menschenfeindlichen Handlungen würden dem reichen Müßiggänger dereinst aufgetischt werden. Und dass er wegen seines Müßiggangs, seiner Hartherzigkeit, seiner Völlerei und seiner Ausschweifungen nicht in den Himmel kommen werde, sei so klar wie das Amen in der Kirche.