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Faule Kinder
Die Geistlichen sind mit liberalen Erziehungsmethoden überhaupt nicht einverstanden. Warum gibt es immer wieder Eltern, die ihre Kinder nicht im Gutsein übten, sondern sie im Gegenteil zu „Orten der Lustbarkeiten“ mitnehmen, wo ihnen dann die Sittenverderbnis aus erster Hand geboten werde? Es sei unverantwortlich. Warum schleppen sie die Kinder zu „öffentlichen Ergötzungsorten“, wo selbst Erwachsene „selten ohne Verlust ihrer Tugend“ hingehen könnten Zu Tanzböden und zu Schauspielen, wo sittlicher Unflat herrsche und die noch unverdorbenen Kinder zu „Schlachtopfern der schändlichsten Gelüste“ würden. Wo sie von den Netzen der Sinnlichkeit zunächst mit dünnen seidenen Fäden und später dann mit vielfach gedrehten Stricken umsponnen würden. Die Erziehung der Kinder müsse darauf abzielen, so fordern die Theologen, ihnen klare Moralvorstellungen zu vermitteln. „Bringt ihnen vor allem bei, was gut und was böse ist, und haltet ihnen immer wieder die Sünden vor Augen; denn Sünden seien ja noch gefährlicher als Schlangen und Löwen!“
Ganz schlimm stehe es, so die geistliche Warnung, mit Kindern, die im Müßiggang und ohne jede Zucht und Ordnung gehalten würden, die „wie Tiere wild und roh“ aufwüchsen. Deren Unarten und Ausschweifungen sich täglich vermehrten und sich geradezu epidemisch ausbreiteten. Und nur mit Schrecken und Entsetzen dächten die Eltern daran, „dass das jetzt lügenhafte, oder diebische, oder faule, oder zornige Kind einst ein Mann mit allen diesen Lastern werden wird.“ (Sturm 1785, S.125)
Die Eltern sollten das Augenmerk ihrer Kinder, nicht zu sehr auf das Zeitliche und Weltliche richten. Dadurch wachse die Gleichgültigkeit gegenüber der Religion, die man leider bei vielen Jugendlichen antreffen könne. Und so führe ihr Weg fort von Gott und damit unmittelbar ins Verderben. Und dies allein sei dann die Schuld ihrer Eltern. Solche Eltern seien schlimmer als Mörder; denn ein Mörder vernichtet ja nur das zeitliche Leben eines Menschen. Die Eltern aber, die das Seelenheil ihrer Kinder vernachlässigten, schickten sie „in den ewigen Tod und die ewigen höllischen Qualen.“ (Klein, S.164) Der Müßiggang, so wird immer wieder konstatiert, sei ein Gift und Verderben für die Kinder. Er schwäche ihren Geist und lasse die „Kräfte ihres Gemüts“ verrosten.
Im Müßiggang erzogene Kinder, seien fast immer böse: „Denn es fehlt ihnen ja die Kraft und Energie, die nötig ist, um gut zu werden.“ (John Tillotson, S.338) Für die Prediger ist es auch ein unerträglicher Zustand, wenn arme Eltern ihre Kinder zum Betteln abrichten. Die Folgen seien meist verheerend: Die Kinder gingen nicht zur Schule, sie gewöhnten sich an den Müßiggang und erlernten alle möglichen betrügerischen Tricks und Kniffe. Es kommt aber noch schlimmer: Sie geben sich dem Diebstahl oder gar dem Straßenraub hin. Alles Laster und Verbrechen, die sie schließlich ins Zuchthaus oder gar unters Henkerbeil bringen könnten. Und all dies sei die Folge sorgloser und verantwortungsloser Eltern, die ihre Kinder zu Verbrechern machten! „Solchen Eltern sollte man einen Mühlstein um den Hals hängen und sie im Meer ersäufen, dort wo es am tiefsten ist.“(Glaser, S.90) Ein junger Mann war von seiner Mutter schon sehr früh zum Diebstahl und zu allerhand anderen Untaten verleitet worden und wurde wegen all dieser Vergehen und Kleindiebereien zum Galgen geführt. Er hatte nur noch eine Bitte. Man möge seine Mutter rufen, er wolle ihr noch etwas Heimliches ins Ohr sagen. Als die Mutter nun kam und neben ihm stand, wandte er sich zu ihr hin und biss ihr kurzerhand die Nase ab. „Und wahrlich, die Eltern, welche ihre Kinder zum Stehlen halten, verdienen vielmehr, dass ihnen nicht allein die Nase, sondern auch der ganze Kopf abgerissen wird.“ (Glaser, S. 91)
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