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  • Geschäftiger Müßiggang
  • „Um Gotteswillen, warum rennen Sie denn so!“ Es ist einer von früh bis spät immer auf Trab. Ist mit Besorgungen beschäftigt, ist in allerhand Ausschüssen von Vereinen und Verbänden tätig, weiß gar nicht mehr, wo ihm der Kopf steht vor lauter Betriebsamkeit. Nimmt sich Arbeit mit nach Hause. Selbstverständlich macht er auch unbezahlte Überstunden. Und wenn er nicht an seinem Schreibtisch sitzt, so ist er doch immerfort und überall erreichbar. Das Smartphone und der Internetanschluss machen es möglich. Multitasking ist das Gebot der Stunde. Bei alldem verzettelt er sich, weil er immer alles zugleich erledigen will und so bringt er letztlich gar nichts zustande.
  • Einen Vorläufer einer solchen Arbeitsauffassung gab es bereits im 18. Jahrhundert. Im Jargon der Predigtliteratur der damaligen Zeit wird er als geschäftiger Müßiggang bezeichnet. Die bürgerliche Gesellschaft, wie sie sich seit dem 18. Jahrhundert etablierte, erforderte neue Verhaltensweisen und Qualifikationen: Regelmäßigkeit, Pünktlichkeit, planvolles Arbeiten, Zielgerichtetheit, Zuverlässigkeit, Motivation, Einsatzbereitschaft, selbstständiges Arbeiten, Ordnung, systematisches Arbeiten, Beharrlichkeit, Konzentrationsfähigkeit, die Dinge zur rechten Zeit erledigen, nichts verschieben. All diese Arbeitstugenden und noch einige mehr sind in unserem heutigen Arbeitsleben ganz selbstverständlich. Die meisten Menschen in unserer Zeit haben sie bereits als Kinder mit der Muttermilch eingesogen. Sie gehören in unserer kapitalistischen Arbeitsgesellschaft gleichsam zur Infrastruktur des modernen Menschen. Das Problem des geschäftigen Müßiggängers besteht darin, dass er diese neuen Arbeitstugenden noch nicht verinnerlicht hat. Im oberflächlichen Sinne ist er ja nicht faul, sondern im Gegenteil: er ist ständig unter Speed und legt in allen Dingen, die er tut, eine unglaubliche Schnelligkeit an den Tag, die allerdings mit Fleiß nicht viel zu tun hat; denn ein hohes Arbeitstempo ist ja noch kein Garant für Effizienz.
     
  • Bei der Diskussion über den „geschäftigen Müßiggang“ in der damaligen Zeit werden grob zwei Varianten unterschieden: Der Chaot und der zwanghafte Pedant. Beiden gemeinsam sei es, dass sie nicht imstande seien, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Beide, die Pedanten und die Chaoten, erreichten nicht ihre Ziele. Die einen versinken im Chaos des Alltags, die anderen übertreiben es mit ihren Regeln und Alltagsvorschriften und vertrockneten so in ihrer Pedanterie. Auch heute nimmt dies teils groteske Züge an. So wird beispielsweise über jemanden berichtet, der ordnungsbeflissen täglich die nachwachsenden Grashalme zwischen den Steinplatten seiner Garageneinfahrt mit einem Küchenmesser entfernte. Ein anderer kam sich dabei wichtig vor, die täglichen Wasserstandsmeldungen des Rundfunks in einem riesigen Schreibbuch gewissenhaft aufzuschreiben. Und ist nicht auch die griechische Sagengestalt Sisyphos ein prominenter Vertreter des geschäftigen Müßiggangs, da er ja bekanntlich unentwegt einen Stein auf einen Berg hinaufrollte, der dann immer wieder herunterkullerte?
  • Die geschäftigen Müßiggänger der Variante Pedant übertreiben es mit ihren Regeln und Alltagsvorschriften. Der evangelische Theologe und Prediger Franz Volkmar Reinhard hat dies den „Kleinigkeitsgeist in der Sittenlehre“ genannt. „Sich mit einer Menge von kleinen Pflichten und Dienstleistungen zu überladen, die kein Mensch verlangt, und sich denselben mit einer wichtigen Miene und einer ganz eignen Emsigkeit zu widmen: das ist die Sache solcher Menschen; ihr Leben ist das unruhige Nichtstun; die ganze Sittenlehre verwandelt sich unter ihren Händen in ein Gewebe von kleinlichen Regeln, die fast nichts weiter betreffen, als sinnlose Gebräuche und unbedeutende Verrichtungen.“ (Reinhard 1801, S.17f.) Ganz anders der Chaot. Der zeichnet sich darin aus, dass er immer etwas zu tun hat und der Zeit hinterher läuft. Allerdings betreibt er alles ohne vernünftigen Plan. Von einer Aufgabe zur anderen springen. Nie bei einer Sache verharren, sich nicht ausdauernd mit einer Sache beschäftigen. Chaotisch und hektisch mit den Dingen und Aufgaben jonglieren und dabei alles fallen lassen. Er gleicht einem, der Wasser mit einem Eimer ohne Boden schöpft.
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