Träge Dienstboten
In den Predigten der Pfarrer und Pastoren des 18. und 19. Jahrhunderts wird gelegentlich der Eindruck erweckt, als seien die faulen Dienstboten die wirklichen Herren im Haus gewesen. Dies mag im Einzelfall sicherlich einmal vorgekommen sein, die Alltagsrealität sah aber offensichtlich anders aus. In den Gesindeordnungen der damaligen Zeit ist klar und deutlich festgelegt, wer das Sagen hat: So ist geregelt, dass sich die Domestiken den Anordnungen der Herrschaft ohne Widerrede unterwerfen müssen. „Die Befehle der Herrschaft und ihre Verweise muss das Gesinde mit Ehrerbietung und Bescheidenheit annehmen.“ (Herzogliche Gesindeordnung von 1803 Coburg, § 69) Die Domestiken sind darüber hinaus generell verpflichtet „der Herrschaft Bestes zu befördern, Schaden und Nachteil abzuwenden.“ Sie sind strikt ans Haus gebunden. Entfernen sie sich dennoch, so wird dies beim ersten Mal mit einem, beim zweiten Mal mit acht Tagen Gefängnis bestraft. (§ 68). Auch „Grobheit, Halsstarrigkeit und Widersetzlichkeit“ werden mit Gefängnis- strafen „und nach Befinden mit Peitschenhieben“ geahndet.
Aber nicht nur die Dienstboten können schlecht sein, es gibt auch unge- rechte, knauserige und böse Herrschaften. Solche Geizknochen, die dem Dienstboten den versprochenen Lohn vorenthalten. All dies sei aber kein Grund zur Klage. „Geschieht dir das, mein lieber Dienstbote, so verzage nicht. Wenn du deine Dienste getreu und Gott zur Liebe verrichtest, so wird dir Gott der Herr einstens sehr reichlich lohnen; er erkennt deine Dienste und er wird dir überflüssigen Lohn dafür geben.“ (Tugendbeispiele S.21) Die Aufteilung der Gesellschaft in Herren und Dienstboten, sagen die Pfarrer, sei ein göttliches Gesetz, an dem man nicht rütteln dürfe.
Dass Dienstleute, Mägde und Knechte schlecht behandelt, schikaniert und drangsaliert wurden, scheint gang und gäbe gewesen zu sein. Dessen ungeachtet - so wird gepredigt - sollen die Untergebenen sich nicht davon abhalten lassen, gewissenhaft und ordentlich ihren Dienst und ihre Pflichten zu erfüllen. Ja, man kann dem sogar positive Seiten abgewinnen. Denn je mehr die Dienstboten und das Gesinde von ihren Herren zu ertragen hätten, desto besser. Denn alle Leiden würden ja im Jenseits von Gott aufgewogen und belohnt. Die geschundenen Dienstleute seien insofern „die allerglückseligsten, denn die Drangsale treiben sie zu Gott.“ (Fraydt 1770, S.320) Dem Knecht halten die Prediger als positives Beispiel den Esel vor Augen. Auch der müsse ja ohne Unterlass die höchsten Anstrengungen auf sich nehmen und bleibe trotz alledem ein Ausbund an Geduld. Daher die Regel: „Einem Esel gebührt Futter, ein Stecken und seine Last, einem Knecht gebührt Speise, Züchtigung und seine Arbeit.“ (Fraydt S.320) Aber nicht nur der Esel, sondern auch der Hund muss als Vorbild für das Dienstpersonal herhalten. Es hatte einmal ein Hund irgendeine Unartigkeit begangen, und da er wusste, dass er dafür bestraft werden würde, hatte er in vorauseilendem Gehorsam seinem Herrn die Peitsche im Maul herbeigebracht, mit der er dann halbtot geprügelt wurde. Auch hier also wieder Beispiele aus dem Tierreich. Diesmal aber nicht als Vorbilder des Fleißes wie die Ameise oder Biene, sondern der Hund als Ausbund der Unterwürfigkeit und Leidensfähigkeit. So wie der Hund und der Esel, so solle auch der Knecht Schläge und Strapazen auf sich nehmen. Dies solle aber nicht als schlimmes Schicksal, sondern als Wohltat gesehen werden, die mit asketischer Wonne ertragen werden soll. „So seid ihr denn, liebe Dienstboten, glückselig, weil ihr eine langwährende Marter habt.“ (Fraydt, S.320)
In all den Predigten und Tiraden gegen das Gesinde und die Dienstleute geht es darum, die Disziplin und Arbeitsmoral zu heben und den Hang zum Müßiggang einzudämmen. Sie sollen ihre Arbeit klaglos und willig akzeptieren, auch wenn es für sie oft mit saurer Mühsal verbunden sei. „Lob sei dir Gott, dass ich mich plagen kann in saurer Arbeit auf Erden.“ heißt es in einem Gebet, das von den Kirchenleuten speziell für die Domestiken angefertigt worden war.